Wenn es noch eines Beleges für den Realitätsgehalt des Diktums von den von ihm selbst nicht zu garantierenden Voraussetzungen des freiheitlichen Staates bedurft hätte, liefert ihn derzeit ein kurzer Blick in die Welt um
uns herum: In Ländern wie Ungarn, Polen oder der Türkei, aber mittlerweile auch in den Vereinigten Staaten als dem Mutterland der neuzeitlichen Demokratie lässt sich besichtigen, wie die liberalen und demokratischen Institutionen erodieren, wenn sie nicht mehr getragen sind von einer allgemeinen Überzeugung ihrer Richtigkeit und einer entgegenkommenden politischen Kultur, die sie trägt und erhält. Aber wie wäre dieses „Haltende“ des Staates, wie es von Hegel an einer unscheinbaren Stelle seiner Rechtsphilosophie einmal genannt worden ist, näher zu bestimmen, was macht es in seinem Kern und seinem Wesen aus? Die Suche danach beherrscht zusammen mit der anderen Frage, wie der Staat als vernünftige Ordnung begriffen werden kann, das staatsphilosophische Denken Ernst-Wolfgang Böckenfördes, und wie Hegel geht auch Böckenförde davon aus, dass es nicht in dessen äußeren Institutionen und seinen Gewalt- und Zwangsbefugnissen gesehen werden kann, sondern in den ihn von innen her tragenden Ordnungsideen und möglicherweise auch in den darauf bezogenen Gesinnungen und Einstellungen seiner Bürger.