Zwei bemerkenswerte Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zeigen wie unter dem Brennglas strukturelle Probleme des europäischen Asylrechts. Mit Kompromissformeln versuchte die Große Kammer hinsichtlich der spanischen Zurückweisungspraxis, die Grenzsicherung und das Refoulementverbot unter einen Hut zu bringen, schuf hierbei jedoch mehr rechtsdogmatische Probleme, als das Urteil zu lösen vermochte. Wenige Wochen später entschied die Große Kammer, dass Flüchtlinge keine legale Einreise mittels humanitärer Visa beanspruchen können. Dieser Beitrag analysiert Inhalt und Folgewirkungen insbesondere des Urteils zu “heißen” Zurückweisungen und zeigt, dass dessen Unwägbarkeiten auf Spannungslagen reagieren, die dem internationalen Flüchtlingsrecht zugrunde liegen. Zugleich lenken beide Grundsatzurteile den Blick auf die Rolle der überstaatlichen Grundrechtsjudikatur. Verfassungstheoretische und rechtssoziologische Studien helfen erklären, warum diese in der Gegenwart gerade im Migrationsrecht zunehmend in einem soziopolitischen Umfeld agiert, das eine dynamische Auslegung erschwert.