Im Mai 2020 legte die EU-Kommission den kühnen und radikalen Plan vor, die Finanzpotentiale der EU in einer noch vor Kurzem unvorstellbaren Umfang für die Ausgabe von Anleihen auf den Kreditmärkten zu nutzen. Die EU-Kommission selbst spricht von einem "historischen und einmaligen Vorschlag“. Die EU sollte Anleihen im Umfang von EUR 750 Mrd. ausgeben, um die aufgenommenen Mittel den EU-Mitgliedstaaten als nichtrückzahlbare Zuschüsse, teilweise auch als Darlehen zur Verfügung zu stellen. Das Programm soll an die Seite des regulären EU-Haushalts treten, der im Mehrjährigen Finanzrahmen 2021 – 2027 fixiert sein wird. Man muss es als Ausdruck des gewachsenen fiskalischenSelbstbewusstseins der EU ansehen, dass in den Plänen eine Absicherung der aufgenommenen Anleihen durch die EU-Mitgliedstaaten nicht mehr vorgesehen war. Die Rückzahlung der ausgegebenen Anleihen sollte aus dem EU-Haushalterfolgen – in der Zeit zwischen 2028 und 2058. Die Mittel sollten in verschiedene, teils bestehende und teils neu zu errichtende Fonds fließen. Zur Absicherung der Konstruktion sah die EU-Kommission vor, dass die EU-Mitgliedstaaten die Kompetenz zur Ausgabe der Anleihen im Wege der (einstimmigen) Änderung des EU-Eigenmittelbeschlusses begründen – eine Änderung, die der Ratifikation durch die EU-Mitgliedstaaten bedarf. Auf diesem Weg erfolgte eine Selbstbindung der EU-Mitgliedstaaten, die im Rahmen künftiger Mehrjähriger Finanzrahmen sicherzustellen haben, dass die EU über die notwendigen Eigenmittel zur Bedienung der Anleihen verfügt.