In jüngerer Zeit erfuhr der Begriff der „Hypermoral“ eine Wiederbelebung. Er steht für die Kritik moralisierend geführter gesellschaftlicher Debatten. Tatsächlich weist die Struktur neuzeitlicher Moral einen expansiven Charakter auf. Während dies vor allem Politik, Wirtschaft, Kirchen und private Lebensstile betrifft, scheint das Recht davon nicht betroffen zu sein. Es ist weniger anfällig für die Normmigration, weil sich die moralischen Inhalte an Form und Zuständigkeit brechen. Das Recht – das öffentliche Recht zumal – ist insoweit strukturell unmoralisch. Darin liegt eine Funktionsbedingung heutigen verfassungsstaatlichen Rechts. Der Beitrag zeigt, wie das öffentliche Recht aber dennoch Einbruchsstellen für hypertrophe Moralgebräuche aufweist. Sie liegen in der Form des juristischen Denkens und Argumentierens. Diese geräuschlose Migration ist dem stillschweigenden Modellcharakter der Moral geschuldet und kritisch zu hinterfragen.