Die Beschlüsse Recht auf Vergessen I und Recht auf Vergessen II des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 6. November 2019 markieren einen Paradigmenwechsel in der Judikatur des Gerichts. Nach den beiden Beschlüssen ist nunmehr im vollharmonisierten Bereich allein die EU-Grundrechte-Charta als unmittelbarer Prüfungsmaßstab heranzuziehen. Im nichtharmonisierten Bereich soll eine unmittelbare Anwendung der Grundrechte-Charta durch das Bundesverfassungs-gericht unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls möglich sein. Der Beitrag untersucht, inwiefern die Argumentation des Ersten Senats sich als tragfähig erweist und welche Konsequenzen für das Verhältnis von Bundesverfassungsgericht, nationalen Fachgerichten und EuGH von den Beschlüssen zu erwarten sind. Außerdem ist nach den Auswirkungen auf die Auslegung sowie auf die Bedeutung der nationalen Grundrechte zu fragen. (Siehe auch S. 366-371).